Seit August 2021 wird der proaktive Ansatz im Rahmen eines Pilotprojektes in einem Teil Berlins umgesetzt. Seitdem erhalten Betroffene bei Anzeigenstellung bei der Polizei das Angebot proaktiver Unterstützung.
Ziel des Projektes ist, dass Betroffenen einer Straftat ein Unterstützungsangebot gemacht wird und sie sich nicht selbstständig um Hilfe kümmern müssen. Das Pilotprojekt wird gemeinsam mit der Polizei Berlin in der Landespolizeidirektion 2 (Charlottenburg/Wilmersdorf, Spandau, Moabit) umgesetzt. Die Polizeibeamt*innen bieten den Anzeigesteller*innen vor Ort die Unterstützung durch die proaktiv – Servicestelle an.
Ist diese gewünscht und die schriftliche Einwilligung gegeben, sucht die Servicestelle ein passendes Hilfeangebot heraus und vermittelt an eine Beratungsstelle aus unserem Netzwerk proaktiv. Die Servicestelle arbeitet somit als Vermittlerin zwischen den betroffenen Personen, der Berliner Polizei und den vielen Berliner Fachberatungsstellen. Die ausgewählte Fachberatungsstelle nimmt zeitnah Kontakt zur betroffenen Person auf und macht ein niedrigschwelliges Beratungsangebot, gibt erste Informationen und stellt gegebenenfalls Kontakt zu weiteren Hilfseinrichtungen her.
Durch eine frühzeitige, proaktive Kontaktaufnahme und Begleitung kann psychische Belastung reduziert und das Selbstwirksamkeitsempfinden der Menschen gestärkt werden. Das Projekt trägt so zu einer Verbesserung der Versorgung von Geschädigten bei, die den Standards der Istanbul Konvention und der EU-Opferschutzrichtlinie 2012/29 entspricht.
Film über proaktiv (von langzeitwirkung.de, Musik: betancor)
Die mit proaktiv kooperierenden Fachberatungsstellen arbeiten auf Grundlage der in der EU-Opferschutzrichtlinie 2012/29 geforderten Qualitätsstandards und sind den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verpflichtet. Im Netzwerk finden sich vielfältige Unterstützungseinrichtungen für Betroffene u.a. von Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Stalking / Nachstellung, digitaler Gewalt und Diskriminierung. Das Angebot der proaktiv – Servicestelle kann dadurch Betroffenen unterschiedlicher Straftaten passende Unterstützung anbieten.
Das Pilotprojekt wird evaluiert durch die Camino – Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich gGmbH. Die Evaluation analysiert die praktische Umsetzung des proaktiven Ansatzes und nimmt dabei Arbeitsweisen der Servicestelle sowie deren Einbettung in das Berliner Opferschutzsystem in den Blick. Mittels qualitativer und quantitativer Verfahren werden Erkenntnisse zur Zielerreichung des Projekts gesammelt und konzeptionelle Empfehlungen für die Weiterführung des Ansatzes im Hinblick auf eine mögliche berlinweite Implementierung entwickelt.